Redbreast 21, 46%

„Vollkommenheit ist nicht dann erreicht,
wenn es nichts mehr hinzuzufügen gibt,
sondern wenn man nichts mehr weglassen kann.“

Antoine de Saint-Exupéry

 

Es gibt wenige Whiskys, die mir nach dem ersten Probieren derart lange im Gedächtnis blieben, wie dieser hier. In überaus netter Gesellschaft im Norderneyer Whisky-Plaza hatten mich schon die Aromen, die mir da aus dem Glas entgegenströmten, eingenommen. Der Rest war nicht weniger faszinierend und so war es nur eine Frage der Zeit, bis eine Flasche dieses irischen Klassikers Einzug in den heimischen Whiskyschrank hielt.
Der irische Whiskey-Markt boomt. Fast monatlich kommen neue Player ins Spiel. Unter unzähligen Namen erscheinen da immer neue Abfüllungen, deren Inhalt jedoch fast ausschließlich aus den bekannten Destillerien stammt – denn die ganzen neu entstandenen Brennereien sind meist noch viel zu jung, um ordentlich gereiften Whiskey liefern zu können. So bleibt halt weiterhin eine große Ungewissheit, was da überhaupt in den ganzen neu erscheinenden Flaschen gelandet ist. Denn die allerwenigsten schreiben es auf die Etiketten – echter Wildwuchs. Und schon auch eine ordentliche Portion Unehrlichkeit. Da sind dringend Regulierungen erforderlich, soll die Boom-Blase nicht irgendwann platzen.

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Midleton mit seinen verschiedenen Marken, wie Jameson, Redbreast, Green Spot oder Writers Tears, ist da neben den anderen großen alten Namen ein Fels in der Brandung all jener Ungewissheiten. Und dieser Redbreast ist ein Statement originärer irischer Whiskey-Tradition. Mit sowohl gemälzter als auch ungemälzter Gerste im traditionellen Single Pot Still-Verfahren gebrannt, das seine Wurzeln in den einstmals hohen Steuern für Malz hat. Dazu – auch typisch irisch – dreifach destilliert.
Ganze 21 Jahre reifte dieser Whiskey in verschiedenen Fässern. Laut Midletons Master Blender Billy Leighton kamen ehemalige Bourbon- und Sherryfässer zum Einsatz, darunter frisch befüllte und auch schon mehrfach befüllte, um viele unterschiedliche Schichten und Texturen voller Komplexität zu erzeugen.
Ohne Farbstoff und ohne Kühlfiltration wurde dieser Traditionalist mit angenehmen 46% Alkohol abgefüllt.

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 Auge

leuchtendes klares Altgold mit einem dezenten Kupferton liegt schwer im Glas, am Rand bilden sich erst kleine Perlen, die zaghaft und langsam in dünnen Legs abwärts laufen.


 Nase

Ungewöhnlich wäre maßlos untertrieben, was da olfaktorisch auf die Riechzellen einflutet. Sind Fruchtaromen in schottischen Whiskys meist eher assoziativer Art, so werden sie hier regelrecht plastisch und real – man riecht hier echte Galiamelonen und Papaya. Ein ganzer Korb aus tropischen Früchten wird einem hier serviert, neben den erwähnten auch reife Bananen, Mangos und Maracuja. Dazu süße cremige Vanille und sahnige dunkle Karamellbonbons. Würzige Eiche mit kantigen Gerüchen eines alten eingestaubten Eichenschranks und herb-süße Tabaknoten zeugen von der Reife und dem Alter dieses Stoffes. Riecht man länger, kommen auch gute alte Bekannte von der Sherry-Front zum Vorschein. Dezentes Trockenobst, in erster Linie luftgetrocknete aromatische Aprikosen und helle Rosinen. Alkohol stört zu keinem Moment dieses sinnliche Erlebnis.

 

 Geschmack

Im Mund setzt sich dieser intensive Fruchtreigen ohne jeden Bruch fort. Eine Flut tropischer Füchte stürmt mit einer öligen Wucht über die Geschmacksnerven herein, sie sind fast überfordert, das alles zu sortieren. Süß und sämig wie eine Cremespeise aus den erwähnten Früchten schmiegt sich dieser Whisky an alle Bereiche des Mundraums. Honigmelonen und orangegelbe Papaya, weiche saftige Mangos und Maracujasaft. Dazu auch umgehend eine herbe würzige Eichenholzigkeit, die das ganze noch intensiviert und immer wieder abwechselnd mit der äußerst fruchtigen Süße um Vorherrschaft kämpft. Ein unglaubliches Schauspiel, was da geboten wird! Der Alkohol bringt angenehme Wärme mit, ohne zu brennen.

 Abgang

Lang und cremig süß, mit einem intensiven und äußerst delikaten Honigmelonen-Aroma, das gar nicht mehr abklingen will. Unterlegt mit schönen weichen Eichenaromen und süßem Karamell gestaltet sich auch der Abgang phänomenal. Man hört gar nicht auf zu schmatzen, so appetitlich ist das alles angerichtet.

 Kommentar

Mir fallen keine Superlative ein, die nicht zu abgedroschen klingen würden, um das Erlebte zu beschreiben. Wenn man in erster Linie schottische Whiskys gewohnt ist, kommt einem das hier wie ein Trank aus einer anderen Dimension vor. Derart intensiv und schön und anders, dass er meine Liebe zu den Whiskeys der grünen Insel trotz aller Ägernisse wiedererweckt hat.
Das ist ohne Frage eine echte Meisterleistung, was Midleton hier abliefert. Etwas derart Eigenständiges kann nur in Irland mit seinen ganz eigenen Traditionen kreiert werden.
Statt mit immer neuen Single Malts aus den zumeist immer gleichen alten Brennereien dem schottischen Whiskyboom nachzueifern, sollten sich die irischen Destillerien ihrer ganz eigenen Tradition des Whiskeybrennens erinnern und widmen und sie verfeinern, um sich eigenständig und selbstbewusst auf dem internationalem Markt zu behaupten.
Daher ist es schön, dass die neue und seit Ende 2015 produzierende Teeling-Brennerei in Dublin, die erst vor ein paar Wochen das erste Batch ihres ersten eignen Whiskeys herausgebracht hat, künftig ebenfalls im Single-Pot-Still-Verfahren mit Dreifachdestillation produzieren möchte. Kombiniert mit der bekannten Experimentierfreudigkeit in Sachen Reifung und Finish ist da Großes zu erwarten!

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