Isle of Raasay First Core Release, 46,4%

Die Geschichte der 2014 auf der Hebriden-Insel Isle of Raasay gegründeten gleichnamigen Destillerie verfolge ich schon eine ganz Weile, hatte mich schon frühzeitig für den Newsletter angemeldet. 2017 begann man dort mit der Produktion des eigenen Whiskys in Brennblasen aus Italien, die Zeit bis zur ersten eigenen Abfüllung überbrückte man mit der Produktion von Gin und zugekauften rauchigen und nicht-rauchigen Whiskies, die man zu gleichen Teilen mischte, um ein ähnliches Geschmacksprofil zu erhalten, das man mit dem eigenen Whisky anstrebt. Diese wurden unter dem Namen „While We Wait“ vertrieben.
Ende 2020 wurde das Inaugural-Release dann endlich angekündigt und die Flaschen waren dank Vorbestellungen schon vor dem Erscheinen ausverkauft und erreichen mittlerweile Rekordsummen auf eBay & Co. Mir war der Spass zu teuer und somit wartete ich auf den ersten offiziellen Whisky, der nun vor mir steht. Abgefüllt in einer wunderschön und unverwechselbar gestalteten Flasche, die das zerklüftete vulkanische Insel-Gestein inklusiv Abdrücken fossiler Ammoniten repräsentiert, durch das das Wasser für die Destillation mit Mineralien angereichert wird und durchaus zum Geschmacksprofil des Endprodukts beiträgt. Sie präsentiert den Whisky in leuchtendem hellem Goldgelb.

Ausgebaut wurde dieser Whisky in drei verschiedenen Fass-Sorten, in First-Fill Rye-Casks der renommierten Woodford-Destillerie aus Kentucky,  in französischen Ex-Bordeaux-Casks und in Virgin-Oak-Casks aus nordamerikanischer Gelbeiche, der sogenannten „Chinkapin Oak“. Und das ganze in doppelter Ausführung, nämlich einmal rauchig und einmal nicht rauchig, die dann vermählt einen lightly peated Whisky ergeben. Gut 23.000 Flaschen dieses ersten Batches wurden weltweit angeboten, abgefüllt mit netten 46,4% und ohne Farbstoff oder Kühlfilterung.

Nase

Unverkennbar ein sehr junger Whisky, verraten durch die typischen Aromen nach frisch geschlagenem Laubholz, Getreide und unfertigem Brotteig, der noch leicht hefig riecht. Dazu harte, leicht unreife Quitten, helle Trauben, süße Birnen und Blütenhonig mit einer äußerst aromatischen Vanille. Süßes Beerenkompott erinnert an einen guten Obstler, ohne das hier abwertend zu meinen. Saftige Zitronen schimmern vage durch und eine feinwürzige salzige Meeresbrise umweht diese süße Fruchtigkeit. Das Ganze wird sanft unterlegt von einem feinen Teppich aus holzigem Rauch, der nach dem Öffnen der Flasche noch deutlich präsenter schien. Hier nun als schön eingebundenes aromatisches Beiwerk. Insgesamt eine feine runde Sache mit einer nicht übermäßigen, aber schon erstaunlich überzeugenden Komplexität für nur drei Jahre Reifung. Da war die Auswahl der Fässer hervorragend.

Geschmack

Er startet mit einer ordentlichen Pfeffrigkeit, ohne zu brennen. Jung und ungestüm jagt er die Aromen über die Zunge, ohne dabei sprittig zu wirken. Auch hier wieder schöne Quitten und Trauben, helle Birne und wärmender weißer Pfeffer. Eine wunderbare malzige Gerstensüße macht sich ordentlich wässernd im ganzen Mundraum breit und verbindet sich mit der aromatischen Salzigkeit des Inselklimas zu einem cremigen Salzkaramell. Herbe Zitronenschalen dämpfen das rasch wieder und wirken angenehm adstringierend. Auch hier bildet der Rauch nur ein aromatisches Beiwerk, drängt sich nicht in den Vordergrund. Und erneut bin ich verblüfft, wie vielschichtig und ausgewogen ein derart junger Whisky bereits sein kann. Und das auch ganz ohne störende Fehlnoten, die recht häufig viele sehr junge Whiskys prägen. Sie entstehen bei einem unsauberen Cut bei der Destillation, wenn sogenannte Feints aus dem Nachlauf im endgültigen Destillat landen. Diese können je nach Länge der Reifung in den Fässern gemildert oder ganz getilgt werden. Hier nichts davon, was für eine saubere Destillation und Erfahrung spricht.

Abgang

erwartungsgemäß eher kurz bis mittellang, mit einer hell-fruchtigen und sämig malzigen Süße und einer dezenten, aber deutlich trockeneren und aschigen Rauchfahne entschwindet er flott und ohne großes Aufsehen, aber mit dem Bedürfnis, das Glas gleich wieder anzusetzen.

Zusammenfassung

Hier wurde eigentlich alles richtig gemacht. Ein transparentes und sympatisches Marketing, ein herausragendes innovatives Flaschendesign, das den Whisky optisch und haptisch überaus ansprechend präsentiert, bis hin zum Destillat selber und einer hervorragenden Fassauswahl. Inwiefern die durchaus den einzelnen Fasstypen zuzurechnenden Aromen tatsächlich sämtlich der Reifung oder dem fruchtigen Grundcharakter des Destillats entspringen, ist nach einer derart kurzen Reifezeit kaum beurteilbar.  Aber das spielt letztlich auch (noch) keine so große Rolle, denn das Endprodukt ist entscheidend, und das kann man hier nur als rundum gelungen bezeichnen. Und das alles erhält man auch noch zu einem erfreulich fairen Preis. Ein Projekt, dem trotz aller Brexit-Querelen von Herzen Erfolg zu wünschen ist. Ich zumindest kann kommende reifere Whiskys dieser Insel-Brennerei kaum erwarten. Das Potential ist in jeder Hinsicht vorhanden und vielversprechend.


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