Sea Shepherd, Sherry Edition, 45,8%

Als altes Greenpeace-Mitglied seit Jugendtagen musste natürlich irgendwann auch mal ein Sea Shepherd ins Glas. Die Geschichte von Paul Watson und seinem legendären Schiff verfolge ich natürlich auch schon seit seiner Abspaltung von Greenpeace. Seine dramatischen und durchaus auch umstrittenen Aktionen gegen Walfänger und sonstige Ausbeutung der Meere und zuletzt auch bei der Rettung von Flüchtlingen, fanden selbstredend immer meine Unterstützung.

Als nach der Standardabfüllung nun eine limitierte Sherry Edition zugunsten von Sea Shepherd erschien, musste es dann endlich sein.  Eckdaten: ein nicht genannter rauchiger Single Malt von der Insel Islay, keine Altersangabe und auch über die verwendeten Fässer gibt es keinerlei Info. Abgefüllt wurde er mit schönen 45,8% und ist nicht gefärbt oder kühlgefiltert, zumindest findet sich nirgends ein Hinweis auf Farbstoff. Zum Vergleich: der normale Sea Shepherd in der schwarzen Flasche hat nur 43%. Klingt also alles schon mal vielversprechend. Laut Recherche spendet Kirsch-Whisky 10% des Verkaufserlöses dieser Flaschen an die Umweltschutzorganisation, also gut 6€ pro Flasche. Da kommt schon was zusammen.

Auge
Die Farbe überrascht schon ein wenig, ich hatte bei einem NAS mit einem erwartbar eher jungen Alter keinen derart dunklen Whisky vermutet. Im Glas liegt er leuchtend klar mit einer satten dunklen Altgold-Farbe und schönen Kupfertönen. Sollte er tatsächlich nicht gefärbt sein – alle Achtung! Die Textur wirkt ölig und er zieht lange Beine beim Schwenken.

Nase
Könnte man Rauch kandieren, würde es wohl genauso riechen. Intensiver Islay-typischer Rauch verbunden mit einer sehr schönen karamelligen Süße. Dann gleich auch dunkle Sherry-Früchte, Rosinen, Aprikosen-Chutney und köchelndes Beerenkompott. Eine heftige Brise salzige Meeresgischt mit dem Duft nach Seetang mischt sich rein und bringt eine Menge Würze mit. In einer Ecke stehen ölverschmierte, leicht miefige Gummistiefel, und alte, mit Salzwasser getränkte Schiffsplanken unterstreichen mit herben Holzaromen die maritime Herkunft dieses Inselwhiskys. Hier geht es wirklich stürmisch zu im Glas, ein intensives Vergnügen wie eine Fahrt auf einem Kutter bei schwerer See. 

Gaumen
Auch hier gleich intensiv süßer Rauch mit viel Salz-Karamell und saftigen dunklen Früchten. Der Alkohol ist sehr zurückhaltend, bringt ein wenig Wärme mit. Gleich auch wieder schöne süße Sherry-Noten, Rosinen, frisch abgeschälte Orangenschalen, kräftige Vanille und schnell auch herbe trockene Eichenholz-Noten, die an einen starken Espresso erinnern. Insgesamt etwas weniger stürmisch als die Nase vermuten ließ, aber alles sehr kräftig und harmonisch. Etwas mehr Wumms hätte ich trotzdem erwartet. Aber das ist Jammern auf sehr hohem Niveau. Für einen NAS ist das überraschend vielschichtig und vollmundig.

Abgang
Dieser Whisky verabschiedet sich eher schnell bis mittellang, eine malzige Karamellsüße, Rosinen und der weiterhin kräftige Rauch ziehen angenehm im Rachen dahin.

Kommentar
Es ist bei solchen Abfüllungen natürlich immer spannend zu spekulieren, welcher Whisky da nun in der Flasche sein könnte. Zumal es hier ja auch ein Single Malt ist. Alles in allem ein sehr typischer maritimer Islay Whisky, wie ich ihn vom Rauchprofil her spontan an der Südküste verorten würde. Aus dem Bauch heraus würde ich auf einen Lagavulin oder Ardbeg tippen. Wobei Ardbeg so gut wie nie Fässer an UAs verkauft, scheidet also eigentlich aus. Aber diese schöne Süße verbunden mit dem Rauch erinnert mich schon sehr an einen Uigedail, wenngleich natürlich nicht ganz so komplex.

Aber ganz egal, was da drin ist, im Ergebnis hat mich die Qualität schon sehr überrascht. Ich hatte mit einer eher durchschnittlichen 08/15 Abfüllung gerechnet, bei der das Hauptaugenmerk auf dem Marketing liegt. Aber weit gefehlt, das hier ist ein richtig guter und komplexer Whisky, für den man in dieser Qualität – stünde ein großer Islay-Name drauf – deutlich mehr bezahlen müsste. Und dieser rauhe und schon leicht ruppige Islay-Whisky passt perfekt zur Marke Sea Shepherd, die ja auch nicht gerade für seichte diplomatische Konversation steht…

Chapeau, Kirsch-Whisky! Eine tolle gelungene Abfüllung und dann auch noch für einen guten Zweck – eine echte Win-Win-Situation! Das wird für mich definitiv nicht die letzte Flasche dieser Serie gewesen sein.


3 Gedanken zu “Sea Shepherd, Sherry Edition, 45,8%

  1. Mir gefiel der auch gut. Sherry ist zwar nicht meine bevorzugte Fassart, aber hier passte es richtig gut zusammen. Bei der Destillerie habe ich auch gerätselt. Da bei den vorigen Seashepherd-Abfüllungen auch schon was von Caol Ila gemunkelt wurde, habe ich das auch diesmal eher assoziiert. Ich müsste ihn vielleicht mal gegen Caol Ila Distiller’s Edition parallel verkosten …

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    1. Ja, Caol Ila hatte ich auch direkt im Hinterkopf, weil hinter den meisten rauchigen UAs Caol Ila steckt. Aber da fand ich den Rauch bislang immer deutlich trockener und aschiger, daher ließ mich diese unglaubliche Rauchsüße direkt Richtung Süd-Islay schwenken. Aber wie geschrieben – ganz egal, was drin ist, es ist verdammt lecker und süffig. 😊

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      1. Meine Vermutung ist ja, dass die Sherry-Süße einen Teil der typischen Caol Ila-Aromen überdeckt. Was mir eigentlich nicht gefällt. Andererseits ist das Ding, wie du schon sagst, so lecker und süffig, dass es letztlich auch egal ist, was drin steckt.

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