Das ist der erste Whisky, bei dem meine Frau nicht gleich angeekelt den Kopf weggedreht hat, als ich ihr zum x-ten Mal mein Nosing-Glas unter die Nase hielt. Das soll was heißen!
Von Balvenie gefielen mir bislang vor allem die Single-Barrel-Abfüllungen. Da ist der Balance-Akt zwischen weicher Speyside-Milde und der Kraft des höheren Alkohols in meinen Augen sehr gut gelungen. Dazu später mehr.
Ich bin kein großer Freund von Rum, aber alle bisherigen Whiskys, die in Rum-Fässern ausgebaut wurden, fand ich wirklich lecker. Auf diesen Balvenie hab ich mich deshalb schon lange gefreut. Abgefüllt mit 43%, leider gefärbt mit E150a und kühlfiltriert.
Aroma
Zuckersüße reife Früchte, vor allemBirne und dann tropische Maracuja, Papaya – mir läuft schon beim Riechen der Speichel! Frisch gemahlener Pfeffer und Eiche bahnen sich ihren Weg, dazu kräftiger Rohrzucker, sahnige Vanille, eingelegte Rosinen und eine schöne ölige Würze. Aus dem Glas schallt mir der Buena Vista Social Club entgegen und ich flaniere in Gedanken an Havannas Uferpromenaden. Das Zeug duftet so lecker, dass ich mich kaum zurückhalten kann…
Geschmack
Im Mund dann trockener als erwartet. Der Antritt ist warm und weich und für die 43% recht kräftig – aber sehr kurz. Alles flaut recht schnell ab und wird dann weich und cremig.
Neben hellen Früchten wie frischen grünen Apfel hab ich auch eine schöne Nussigkeit, leichte Vanille und würzige krautig-florale Noten. Auch hier schlägt das Holzfass deutlich durch und rundet das Geschmacksbild mit herben Noten ab. Insgesamt hängt der Gaumen der Nase aber hinterher.
Abgang
Im relativ langen Abgang hab ich vor allem trockene Eichennoten, Rosinen etwas Heidekraut und ganz am Ende dunkle Karamellnoten.
Kommentar
Was ich bei Whiskys mit einem Alkohol von unter 46% immer laut rausschreien möchte: „DAS IST ZU WENIG!!“
Auf Nachfrage schrieb mir Benromach (die meist auch mit 43% abfüllen) kürzlich, dass sie an ausgeklügelten Verfahren experimentieren, um ein Gleichgewicht zwischen „milder“ Kühlfiltration und genussförderndem Alkoholgehalt herauszuholen, um damit bestmögliche Qualität für den Kunden zu erreichen. Dass man mit weniger Alkoholgehalt natürlich mehr Flaschen aus den Batches herausholen kann, haben sie nicht erwähnt…
Aber erfahrenere Genießer erkennen und schätzen diese bisweilen recht enge Spanne zwischen vollem Aromentransport und Neurotoxinwirkung – bei Medikamenten würde man von therapeutischer Breite sprechen. Und 43% liegen spürbar darunter.
Daher ist das auch dieses Mal wieder ein Balvenie mit verschenktem Potential! Wie gut den Whiskys von Balvenie ein höherer Alkoholgehalt steht, merkt man den Single-Barrel-Abfüllungen an. Die haben Pep! Bei diesem hier ist die Nase wirklich wunderschön und man freut sich auf den ersten Schluck. Der Gaumen hat dann leider das Nachsehen, die Aromen wirken flacher und kürzer und liegen damit hinter ihren Möglichkeiten.
Das ist ohne Frage ein sehr schöner und ausbalancierter und in der Nase sehr komplexer Whisky, aber mir fehlt hier wirklich der Druck des Alkohols. Schade, das hätte sonst in der Tat ein Lieblings-Dram werden können.