Bei Whiskykennern und -händlern oft gleichermaßen verpönt, macht der weltweit größte Online-Shop trotzdem auch in Sachen Whisky gute Geschäfte. Das Angebot ist riesig, wenngleich zumeist auf das Standardsortiment der verschiedenen Destillerien beschränkt. Sucht man seltenere Abfüllungen oder Flaschen unabhängiger Abfüller, so werden diese dort meist zu deutlich höheren Preisen über Drittanbieter verkauft.
Und nun kommt, was irgendwann kommen musste: es gibt die erste eigene exklusive Abfüllung, die eben nur – nennen wir endlich auch mal Namen – bei Amazon erhältlich ist.
Und da hat man sich nicht lumpen lassen. Es ist ein 19jähriger Bowmore geworden, der die gesamte Zeit in französichen Rotwein-Barriques des Château Lagrange im berühmten und ältesten Lagerhaus Vault No.1 reifen durfte. Dass beide Firmen inzwischen in der Hand von Beam-Suntory sind, dürfte bei der Auswahl der Fässer durchaus eine Rolle gespielt haben.
Insgesamt wurden für den weltweiten Amazon-Markt 4500 Flaschen abgefüllt, also gut 20 Barrique-Fässer des namhaften Weinguts im Bordeaux. Wieviele davon für den deutschen Markt bestimmt sind, ist nicht bekannt. Der Bowmore wurde unverdünnt und ohne Farbstoff mit 48,9% abgefüllt und wurde auch nicht kühlfiltriert.
Auge
Tiefes Bernsteinbraun mit einem leicht rötlichen Einschlag. Beim Schwenken liegt der Whisky ölig und zäh im Glas, die Beinchen sind dünn und laufen sehr behäbig am Glas herab.
Nase
Schon während des Einschenkens erhasche ich eine Vorahnung, was da kommen wird – ein ganz wunderbares Fruchtkompott aus roten Beeren. Und der erste Riecher bestätigt das prompt. Und gleich ist auch ein schöner milder und nicht zu aufdringlicher Rauch da, der ihn von seinen Kollegen der Südküsten-Riege recht deutlich abhebt. Süß und würzig wie ein knisterndes Kaminfeuer mit aromatischen fetten Hölzern. Und darüber köchelt in einem alten Kupferkessel das erwähnte Kompott aus allerlei Beeren und reifen Bananen, am Kesselboden bereits leicht angesetzt. Gesüßt ist das ganze mit dunkel karamellisiertem Rohrzucker und einer Vanillestange. Vom offenen Fenster weht herbe Seeluft heran mit einer schönen salzigen Würze. Die französichen Fässer machen sich durch leicht angesengtes Eichenholz bemerkbar, halten sich aber ob des Rauches ziemlich zurück. Das alles schmeichelt der Nase und ich kann kaum erwarten, ihn auch zu probieren.
Geschmack
Hier ist der Rauch deutlich kräftiger, würzig-süß und von viel Frucht unterlegt kleidet er gleich den ganzen Mundraum aus. Erneut jede Menge kerniges und leicht angebranntes Beerenkompott, das anfangs mit einer schönen vanilligen Süße startet, im Verlauf aber immer mehr säuerliche Aromen zu Tage fördert. Zu den Beeren gesellen sich saftige Grapefruits und Limetten, etwas Orangen-Zesten und wieder reife süße Bananen. Die Fruchtsäure beginnt auf der Zunge zu prickeln, die Vor-Belegung der Fässer mit Rotwein hat da schöne Arbeit geleistet. Die französichen Eichenfässer können hier deutlich mehr Profil zeigen, mit schönen dunklen würzigen Röstaromen sorgen sie mit ihren kräftigen Tanninen für eine angenehme schokoladige Bitterkeit, die nicht abschreckt, sondern alles schön abrundet. Der Alkohol ist aushaltbar, wenn auch durch eine kühle scharfe Frische stets spürbar.
Abgang
Die süße Frucht verharrt nicht allzu lange, zusammen mit einer schönen würzigen Vanillesüße entschwindet sie recht rasch. Was lange nachhallt, ist der aromatische süße Rauch, der mit der Zeit immer aschiger und trockener wird.
Kommentar
Man mag vom amazon’schen Geschäftsgebahren halten, was man will – dieser Whisky kann nichts dafür, dass er für diesen Konzern abgefüllt und vermarktet wurde. Er verdient keinen Boykott, es ginge ein ganz wunderbares Erlebnis verloren. Er hat mich mehrmals an den großartigen Springbank Burgundy erinnert – für mich immer noch ein Benchmark-Whisky in Sachen Rotwein-Reifung. Nur hat dieser Bowmore etwas mehr Rauch. Und der ist sehr harmonisch mit der süß-sauren Frucht verbunden, alles spielt sich auf sehr hohem Niveau ab.
Er erreicht vielleicht nicht die schön stukturierte Komplexität des Springbanks, aber ist nah dran und einer meiner schönsten Bowmore’s bislang. Eigentlich der schönste. Die Fässer haben sowohl wunderbare Fruchtigkeit als auch schöne würzige Eichenaromen an den Whisky abgeben können. Ein sehr ausgewogener, schön gereifter Whisky zum ausgiebigen Genießen.
Ich habe diese Flasche als Dankeschön für ein Hochzeits-Fotoshooting vom Brautpaar geschenkt bekommen, weil ich wegen plötzlicher Krankheit der engagierten Fotografin eingesprungen bin. Hätte ich ihn mir ansonten auch gekauft? Aufgrund des Preises in Höhe von 125 EUR höchstwahrscheinlich nicht. Ist er das Geld wert? Hmmm – der „Wert“ von Whisky ist eine äußerst individuelle und von eigenen Erwartungen und deren Erfüllungen abhängige Angelegenheit. Er hat mir sehr gut gefallen, aber eine zweite Flasche werde ich mir nicht kaufen. Aber ich bin sehr froh, so in den Genuss gekommen zu sein. Zumindest habe ich dadurch meinen Horizont Richtung Bowmore positiv erweitern können.