Als eine der wenigen bekannten großen Destillen der Speyside hat Glenrothes bislang weder ein Besucherzentrum noch einen Shop vor Ort. Daher mutet die Bezeichnung „Distillery Exclusive“ auf dem Etikett erst mal befremdlich an. Schaut man sich die inzwischen deutlich aufgepeppte Internetpräsenz genauer an, wird dort nun zaghaft begonnen, Touren durch die Destillerie anzubieten. Vorerst nur sporadisch und gegen Anmeldung, aber es scheint ein Anfang, sich den stetig mehrenden Fans dieses sehr aromatischen Whiskys zu öffnen. Auf diesen neuerlichen Touren soll dann diese sonst nirgends erhältliche Version des Vintage 2004 aufgetischt werden.
Der augenscheinlichste Unterschied ist natürlich der Alkoholgehalt. Hat der handelsübliche 2004er noch die für Glenrothes üblichen 43%, so wurde diese Cellar Collection mit satten 48,8% abgefüllt. Zudem verbrachte diese Abfüllung ein gutes Jahr länger in den Vintage-Fässern und wurde im Januar 2018 abgefüllt. Rein rechnerisch also ein 13jähriger Single Malt.
Ausgebaut wurde diese Abfüllung ausschließlich in sogenannten „seasoned casks“ aus amerikanischer Weißeiche, also Fässer, die vorher mit Oloroso-Sherry gesättigt wurden. In Ermangelung an echten – und teuren – europäischen Sherryfässern ein inzwischen weitverbreitetes Verfahren. Die meisten Standard-Sherryabfüllungen der führenden Whiskymarken werden in solchen Fässern gelagert.
Glenrothes färbt nicht und höherprozentige Whiskys werden auch nicht kühlfiltriert. Somit steht ein unverfälschter Genuss bevor.
Nase
Statt der erwarteten Glenrothes-Toffee-Bombe, die ich in letzter Zeit allzu oft in der Nase hatte, strömt hier erst mal reines Urlaubsfeeling aus dem Glas – ein süßer tropischer Fruchtcocktail aus einer überreifen Ananas mit Mango-Püree, darüber Kokosraspel. Dann kommt aber auch sofort das unverwechselbare fette Butterkaramell mit viel Vanille und einer Prise Salz, das an frisches Shortbread erinnert. Dazu herbsüße Orangenschalen und Grapefruits. Genau so stelle ich mir ein abwechslungsreiches Fußballspiel Brasilien gegen Schottland vor.
Je länger er im Glas weilt, desto stärker werden die erdigeren Noten. Etwas muffig-moosiges Erdreich nach einem Regen und altes Holz. Schöne Gewürze wie Nelken und Kardamom geben diesem Whisky noch mehr aromatische Tiefe. Der hohe Alkoholgehalt treibt alles sehr intensiv und kräftig aus dem Glas, ohne selbst störend in Erscheinung zu treten.
Gaumen
Im Mund wiederholt sich das fruchtige Schauspiel der Nase. Auch hier gleich eine kräftige Süße mit Unmengen an Fruchtaromen. Dunkles Butter-Karamell mit saftigen Orangen Hier bolzen die Aromen auf der Zunge herum und man weiß gar nicht, wen man favorisieren soll. Alles profitiert vom starken Alkohol, der eine schöne Ingwerschärfe mitbringt. Das Eichenholz wirkt pritzelig und intensiver als in der Nase, unterlegt alles mit einem schönen trockenen herben Teppich. Dazu süße Tabaknoten und wieder schöne dunkle Gewürze. Die erdig-modrigen Aromen hab ich auch hier und und sie ergänzen das fruchtig-süße Gesamtbild um schöne „dreckig-würzige“ Noten, die dem Ruf als „Friedhofs-Brennerei“ gerecht werden.
Abgang
Der Abgang ist lang und wird von dunklen reifen Früchten, aromatischen Kaffee-Röstaromen und dunklem Karamell bestimmt. Herbes trockenes Eichenholz und frisches Heu und ein paar Gewürznelken halten sich am längsten.
Kommentar
Hier dominiert eindeutig eine komplexe Fruchtigkeit gegenüber den sonst eher üblichen Butterscotch-Noten. Letztere sind vorhanden, aber eher als ergänzendes Teilstück.
An die Qualität der herausragenden Single-Cask-Abfüllungen der jüngeren Zeit kommt er zwar nicht heran, aber es ist einer der schönsten und komplexesten Glenrothes, die als OA ihren Weg in mein Tastingglas fanden. Und eine weitere Bestätigung, dass der Alkoholgehalt die Intensität eines Whiskys maßgeblich beeinflusst. Bei 43% fehlt es allen Standard-Glenrothes eindeutig am notwendigen Kick, der diesen hier weit über den Durchschnitt hebt. Es wäre sehr schön, wenn künftig mehr Glenrothes in dieser Qualität auch dem breiten Säuferkreis zur Verfügung gestellt würden.