Ben Nevis 1995 Whic, 52,9%

 

Ich hatte schon lange keinen Ben Nevis mehr im Glas. Wird mal wieder Zeit…
In seiner eigenen Abfüllungs-Serie „Nymphs of Whisky“ hat der Online-Händler Whic aktuell einen 22 Jahre alten Ben Nevis abgefüllt. Aus einem Sherry Butt, schön dunkel – das war neben einer fairen Bepreisung wohl ausschlaggebend, dass er trotz der recht hohen Flaschenzahl von 472 innerhalb kürzester Zeit ausverkauft war. Colour matters…
Hype macht mich erst mal skeptisch und ich hab gezögert und bin nun auf ein Sample angewiesen, das mir Arne von Whic dankenswerterweise zur Verfügung gestellt hat.
Ohne Farbstoff, ohne Kühlfiltration und in Fassstärke mit 52,9% gluckert er ins Glas.

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 Auge

Wie eine dünne Perlenkette reihen sich winzige Tröpfchen an der Glaswand auf, laufen nur zögerlich und zäh herab wie altes Öl – das und die dunkle satte tabakbraune Farbe lassen Opulenz erwarten.

 Nase

Als erstes weht mir alte Schuhwichse aus dem Glas entgegen, also erst mal Zeit zum Atmen geben – mit stolzen 22 Jahren gönne ich ihm eine gute halbe Stunde im Glas. Danach keine Spur mehr von Fehlnoten, dafür dann gleich eine heftige würzige und ölige Sherrylast mit allem, was so dazugehört. Dunkle Trockenfrüchte und Rum-Rosinen, ein Stück altes Leder, kräftiger dunkler Demerara-Zucker mit einer schönen malzigen Süße. Auch Vanille in Verbindung mit süßem Pfeifentabak nehme ich wahr, wenngleich auch verhalten. Die für Ben Nevis so typischen dunklen Schokoladenaromen hab ich hier kaum, da leistet das Sherryfass dann doch ganze Arbeit. Dieses macht sich durch trockene herbe Holznoten wie eine knarzende abgewetzte Holztreppe in einem etwas heruntergekommenen muffigen Haus bemerkbar. Der kräftige Alkohol ist gut eingebunden, er tritt kühlend wie frische Minze in Erscheinung, sticht kaum in der Nase.

 Gaumen

Ölig, warm und dunkel schwappt der Ben Nevis über die Zunge, im Mund verbreitet sich sogleich eine schöne fruchtig-florale Süße mit würzigen Trockenpflaumen, reifen Mangos und einem schönen Beerenkompott, dazu dunkles Karamell und eingekochtes herb-süßes Malz. Salzige Lakritze und Tabak bringen noch mehr Würze.
Dann schlägt aber auch gleich das alte Fass gnadenlos zu und legt den gesamten Mundraum trocken. Schwer, muffig und alt verbreitet es herbe holzige Aromen, die mit säuerlichen Noten und herben Gewürzen auf der Zunge prickeln – als hätte man eine vollgesogene alte Fassdaube ausgewrungen. Viel länger hätte er wohl nicht im Fass verbleiben dürfen.

 Abgang

Holzige Trockenheit, dunkles süßes Malz, Waldhonig und würzige Trockenfrüchte bilden einen sehr langen und immer trockener werdenden  Abgang.

 Kommentar

Gute alte Abfüllungen werden langsam seltener, immer jüngere Whiskys drängen mit viel Blabla, oft kruden Finishes und Farben zu aberwitzigen Preisen vermehrt auf den Markt. Ich freue mich immer über alte, geradlinige und schön gereifte Whiskys zu einem fairen Preis. Und das hier ist so einer – sofern man kräftige Holzaromen mag. Wunderbar altmodisch, mit Ecken und Kanten und ohne Mainstreamgehabe – anmutig und zart wie eine Nymphe ist er jedenfalls zu keinem Moment. 😉
Wer keine muffig-trockenen Eichenholznoten mag, könnte seine Schwierigkeiten haben, da diese hier wirklich dominant und durchaus grenzwertig vertreten sind. Wen das nicht stört, für den bleibt er lange spannend und wenig süffig, was ihn zu einem hervorragenden Genießerwhisky macht, mit dem man sich einen ganzen Abend beschäftigen kann.
Für mich ein Grenzgänger in seiner herben, aber aromatischen Holzigkeit. In seiner Gesamtheit der Aromen gefällt er mir dann aber doch ausgesprochen gut.
Gerne mehr von solchen Fässern, Arne! 🙂

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