Durch viele zum Teil in ihren Nachwirkungen ziemlich unangenehme Trinkgelage in Jugendzeiten war ich sehr lange sehr Bourbon-geschädigt und mied amerikanische Whiskeys wie der Schotte den Eiswürfel – bis ich mir mal von meinem Bruder einen sehr gelobten Bourbon aus den USA mitbringen ließ. Da entdeckte ich, dass es durchaus nette Sachen jenseits von Jim Beam und Jack Daniels gibt. Den mitgebrachten Bourbon fand ich derart überzeugend, dass ich nun meine Fühler immer öfter auch mal über den großen Teich ausstrecke.
Da mir der Double Oaked von Woodford Reserve richtig gut geschmeckt hat, habe ich aus gleichem Hause nun auch mal den ziemlich neu auf dem Markt erhältlichen Rye probiert. Rye Whiskey, also aus Roggen statt Mais hergstellt, erlebt zur Zeit eine wahre Renaissance und so ziemlich jeder Produzent kommt mit einem Rye auf den Markt. Nun bringt Woodford Reserve, die bei einer früheren limitierten Edition mit einem reinen Rye aufgrund der wohl ziemlich klumpigen Maische eher schlechte Erfahrungen in ihren für die USA einzigartigen Pott Stills gemacht haben, keinen reinen Rye heraus, sondern einen Whiskey mit einem 53%-Anteil Roggen. Der Rest ist Mais und Gerste.
Abgefüllt wurde dieser Rye mit 45,2% und ist natürlich nicht gefärbt.
Aroma
Im Unterschied zum Double Oaked hab ich hier anfangs keine typischen Klebstoff-Noten – sehr angenehm! Ansonsten ist das Bouquet malzig, cremig, süß-sauer und fruchtig, ich hab da vor allem Trockenpflaumen, Rosinen, dunkle Kirschen und getrocknete Aprikosen. Auch die Eiche ist sehr dominant, ähnlich wie beim Double Oaked. Ich hab auch viele würzige florale Noten und deftige Kräuter in der Nase, und von weiter unten strömen dann dunkle Gewürze wie Zimtstangen, Nelken, Bourbon-Vanillestangen (wunderschön!), etwas herbes Kardamom und ein wenig frisch gemahlener weißer Pfeffer in die Nase – alles zusammen wirkt sehr harmonisch und vollmundig und erinnert etwas an eine würzige Weihnachtsbäckerei. Ganz entfernt sind dann aber doch noch ein paar sehr dezente Klebernoten wahrnehmbar. Alkohol ist zu keiner Zeit störend spürbar.
Geschmack
Im Mund ist er kaum noch fruchtig, sondern kommt sehr wärmend, würzig und sehr trocken – fast schon adstringierend. Auch die Süße ist nur anfangs noch vorhanden und weicht schnell sehr schönen kräftigen Eichennoten. Und wieder kommen viele Gewürze und frisch geschrotetes Getreide.
Abgang
Im Abgang habe ich die cremige Süße und die Früchte aus der Nase wieder, dazu weiterhin würziges Gras und Eiche. Das alles bleibt richtig lange hängen, sogar nach einer halben Stunde schmecke ich ihn noch weit hinten im Rachen.
Kommentar
Der neue Rye von Woodford Reserve ist kein komplett anderer Whiskey als die anderen Woodford-Standards, was daran liegen mag, dass es kein reiner Rye ist. Die Nase ist deutlich komplexer als beim normalen Bourbon, am Gaumen überrascht er mit einer herben Trockenheit, die im Abgang dann aber den Aromen der Nase wieder Platz macht. Dieser Rye ist eine sehr schöne Variante, die harmonisch und voluminös daherkommt und vor allem mit einem sehr komplexen Bouquet überzeugen kann. Viele bemängeln die extreme Trockenheit im Mund – ich mag es ja, wenn ich am Gaumen andere Sachen wiederfinde, als in der Nase. Insgesamt gefällt er mir fast besser als der Double Oaked, vor allem in der Nase.