„Aldi ist weniger eine Frage des Geldbeutels, sondern eine des Glaubens!
An Aldi scheiden sich die Materialisten von den Bourgeois.“
Frankfurter Rundschau
Ein achtjähriger Single-Cask-Whisky bei Aldi – und schon formieren sich Fronten in den einschlägigen Foren und FB-Seiten. Verrückte Zeiten.
Weniger der Whisky an sich als vielmehr die Tatsache, dass Aldi Süd einen Single-Cask-Whisky in guter Trinkstärke und dazu noch ungefärbt und nicht kühlfiltriert auf den Markt bringt, ist hier das Besondere. Und das weckt Aufmerksamkeit und Unmut. So manch Händler sieht offenbar gar den Untergang des Whisky-Abendlandes angebrochen – und übersieht dabei, dass genau solche Angebote die Neugier nach mehr wecken und neue Liebhaber schaffen, die dann auch mal den Blick über die Discounter-Regale wagen.
Knapp 40 Euro für einen achtjährigen Whisky – das klingt erst mal nicht nach einem Discounter-Schnäppchen. Aber es spiegelt die reale Preisentwicklung wider. Whisky wird teurer. Und jünger. Das kann man bei allen Abfüllern beobachten. Daher finde ich den Preis bei Aldi durchaus angemessen. Zumal auch hier ein regulärer unabhängiger Abfüller dahinter steht. Ob er auch gustatorisch mithalten kann, wird sich nun zeigen.
Ich hab das Fass 309688 erwischt und mir scheint, alle Filialen in Bonn wurden damit beliefert. In vier Filialen habe ich nur dieses Fass finden können, von dem immerhin 404 Flaschen abgefüllt wurden.
Auf dem Etikett sind das genaue Destillations- und das Abfülldatum vermerkt, dazu noch die Fassnummer und die einzeln nummerierte Flaschenzahl. Als Fass wird nur Hogshead angegeben – was so ziemlich nichtssagend ist. Ein Hogshead kann aus den verschiedensten ehemaligen Fässern zusammengesetzt sein.
Nun denn – aus der Einkaufstüte ab ins Glas.
Auge
Meine Frau trinkt Weißwein mit mehr Farbe, aber das soll erst mal nicht viel heißen. Zu oft habe ich da schon Überraschungen erlebt – in beide Richtungen – als dass ich bei der Farbe vorschnell urteilen würde. Die dicken Beine laufen recht flott am Glas herab.
Nase
Im Glas offeriert er gleich schon mal eine ordentliche malzige Fruchtigkeit, die schon weit entfernt von der Nase präsent ist. Der erste Eindruck erinnert mich an ein frisch gezapftes Pilsner mit etwas Frucht. Also eher ein Radler. Überreife Quitten kommen mir als dominanteste Fruchtnote entgegen. Danach gleich gezuckerte Zitronen, grüne knackige Äpfel, Mirabellen und etwas unreife Birne. Eine typische junge Speyside-Nase. Fein.
Gaumen
Auf der Zunge keine großen Überraschungen, fruchtig geht es auch hier weiter. Neben herbsüßem Quittengelee und Birnenkompott mit einem Hauch Gewürznelke hab ich herzhaftes süßlich-würziges Pumpernickel und Zitronenschale. Auch das Eichenholz ist hier mit herben trockenen Noten deutlich kräftiger vertreten als in der Nase. Dazu eine süße Cremigkeit, die mich an irischen Pot Still erinnert.
Abgang
Süßes Malz, Espresso, etwas Anis und wärmende würzige Eiche. Und das alles deutlich länger, als ich es erwartet hätte. Ein schönes Blockmalz-Bonbon klingt wirklich sehr lange nach.
Kommentar
Hätte ich diesen Whisky auch gekauft, wenn er von Signatory, Douglas Laing oder irgendeinem anderen UA abgefüllt worden wäre? Wahrscheinlich nicht. Er wäre – für mich – im Meer der zunehmend jungen Abfüllungen untergegangen. Im Aldi-Sortiment aber hat er meine Neugierde geweckt und ich bereue nicht, ihn gekauft zu haben.
Er ist keine Ausgeburt an Komplexität und er ist massentauglich – wer bei Aldi etwas anderes erwartet, hat das System Aldi nicht verstanden. Andererseits hat er durchaus genügend Charakter und Tiefe und interessante Noten, um auch für echte Whiskygenießer einen netten Abend einzuläuten. Insgesamt ein unkomplizierter und malzlastiger Whisky, der mich positiv überraschen konnte und den ich gern als All-Day-Dram im Glas habe.