Von Glenfarclas hatte ich schon einige Standards im Glas, bis hin zum 18jährigen – so richtig begeistern konnte mich bis auf wenige Ausnahmen noch keiner. Zu Mainstream und irgendwie zu glatt kamen sie mir fast immer vor – was dem geringen Alkoholgehalt der meisten Standardabfüllungen geschuldet sein mag. Ein unabhängig Abgefüllter aus einem Einzelfass mit Port-Finish fand allerdings meine Begeisterung.
Bei dieser Abfüllung nun handelt es sich ebenfalls um ein Single Cask in Fassstärke, das für den belgischen Wein- und Sprirituosenhändler und Single-Malt-Vorreiter Corman-Collins abgefüllt wurde, die damit wohl ihr 50jähriges Bestehen zelebrieren wollen.
Über das Fass gibt es leider wenig Auskunft – das Rückenetikett der Flasche ist fast komplett blank und der Karton ist nichtssagender Standard. Der Name lässt ein Rotweinfass vermuten. Gereift ist der Whisky jedenfalls gut acht Jahre und ist damit noch sehr jung. Die Abfüllung ist auf nur 335 Flaschen limitiert, weder gefärbt noch kühlfiltriert und hat einen stolzen Preis von über 100 EUR – für einen achtjährigen Whisky schon sehr gewagt – wenn nicht fast unverschämt…
Trotz des Preis-Schrecks gehe ich mal unvoreingenommen an diesen Whisky.
Nase
Altgoldfarben und ölig zieht er zähe dünne Beine an der Glaswand, und schon beim Einschenken strömen einem die Aromen entgegen und machen klar: der geht zur Sache!
Frisch im Glas intensive schwere dunkle Fruchtnoten, etwas Holzpolitur und eine kräftige Würzigkeit, alles noch recht ruppig und unstrukturiert. Nach etwas Zeit dann eine schöne Kräuterhonig-Süße, saftige reife Pflaumen, Rosinen, sommerliche Wiesenkräuter, getrocknete Aprikosen, Saft-Orangen, säuerlich-herbe Zitronenzesten, frische Getreideähren, schöner kräftiger Tabak, dunkler Rohrzucker. Eine herbe Eiche ist zwar vorhanden, aber im Gesamtbild eher zurückhaltend – hier verrät er dann doch sein juveniles Alter. Stechender Alkohol ist nur frisch im Glas wahrzunehmen.
Geschmack
Holla – was ist das?! Extrem fruchtig mit allen Paletten einer gut sortierten Früchtetheke – von zuckersüß bis zitronensauer ist alles vertreten und er spült mit einer ungemeinen Wucht durch den gesamten Mundraum. Vor allem saftige Zitrusfrüchte, Kumquats und Pflaumen dominieren den Geschmack und prickeln regelrecht auf der Zunge. Dazu eine pfeffrige Schärfe, kernig-ölige Getreidenoten wie bei einem Grain, Marzipan, herbe Kräuter wie Thymian und Wacholder, dunkles, fast angebranntes Karamell, Gewürze wie Zimt, Muskat und Gewürznelken. Und dann unerwartet intensive Eichennoten, die einen überraschenden Gegenpart setzen.
Abgang
Im Abgang überwiegen herbe Holztöne, Tannine, Muskatnuss und eine grasig-fruchtige Süße mit einem Hauch Anis und Wacholder, und das alles klebt noch recht lange im hinteren Gaumen.
Kommentar
Dieser Glenfarclas lässt sich mit drei Buchstaben beschreiben: WOW! Schon in der Nase intensiv und sherry-würzig, kann er dann im Mund mit einer wuchtigen Präsenz und ein für das Alter unglaublichen Komplexität und einer unerwarteten Aromenvielfalt überraschen. Für einen Glenfarclas überaus intensiv und für den gemeinen Glenfarclas-Fan vielleicht schon zu extrem in einigen Aromen, aber mir hat er ganz wunderbar gefallen! Einzig der Preis von über 100 EUR ist schon eine Ansage. Ist er das wert? Gemessen allein an den wenigen Reifejahren sicher nicht, davon losgelöst bekommt man aber einen Whisky mit vielen Ecken und Kanten, impulsiv und komplex, und das nach nur acht (8!) Jahren!