Auchroisk 20, 58,1%

Als reiner Blogger ist man vielleicht weniger populär als mit einem Videokanal, aber man ist  in der dankbaren Situation, sich bei der Aussprache so mancher Whiskynamen gälischen Ursprungs nicht blamieren zu können. Denn Auchroisk ist da durchaus knifflig.

Auchroisk ist eine ziemlich junge Destillerie, erst 1974 einzig zu dem Zweck erbaut, dringend benötigten Whisky für die Blend-Industrie zu produzieren. Eine Whisky-Fabrik quasi. Klingt wenig romantisch und weit weg von der Vorstellung idyllischer handwerklicher Whisky-Destillerien. Aber anders als viele andere Zweck-Destillerien gab man sich bei der Architektur durchaus Mühe und heimste diverse Preise dafür ein. Besuchen kann man sie aber leider nicht. Trotz der fabrikmäßigen Produktionsweise stellte man schon recht früh fest, dass das Zeug, was da aus den Stills kommt, ziemlich hochwerig ist und brachte schon 1976  erste Abfüllungen unter dem Namen „The Singleton of Auchroisk“ heraus. Singleton war die damals noch gebräuchliche Bezeichnung für einen Single Malt.
Das wurde nach ein paar Jahren allerdings eingestellt und erst deutlich später brachte man in der Flora & Fauna-Serie einen 10jährigen Auchroisk heraus, der bis heute kontinuierlich veröffentlicht wird und als Standard-Originalabfüllung gilt.
Ab 2010 dann kamen nach und nach auch richtig alte und auf wenige tausend Flaschen limitierte Originalabfüllungen dazu. Den Anfang machte dieser 20jährige, es folgte noch ein 25 und ein 30jähriger in gleicher Aufmachung.

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Dieser 20jährige reifte sowohl in ehemaligen Bourbonfässern aus amerikanischer Weißeiche als auch in europäischen Sherryfässern. In welchem Verhältnis, ist nicht bekannt. Weltweit wurden nur 5856 Flaschen davon abgefüllt. Inzwischen kaum mehr auf dem Markt erhältlich kosten sie oft ein Vielfaches ihres ursprünglichen Preises.
Ich hatte das große Glück, nach einem langen Tasting im Laden des Veranstalters in einem ziemlich versteckten Regal ganz unten noch ein paar Flaschen zum ursprünglichen Preis zu entdecken. Inklusive einer dicken Staubschicht, Spinnweben und muffigen Stockflecken auf den Kartons. Aber selten hatte ich einen so schönen Glücksmoment beim Stöbern in einem Whiskyladen.
Mit satten 58,1%, ohne Farbstoff und ohne Kühlfiltration kam dieser Auchroisk in die Flaschen, die mit einem wunderschönen Retro-Etikett versehen wurden. Es sage noch einer, das Auge trinkt nicht mit…

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Nase

Ich habe sofort eine unglaubliche Würze in der Nase, die wohl von den Fässern kommt. Unter der recht trocken wirkenden Eichlast verbergen sich aber auch gleich süße malzige Noten und vor allem helle Rosinen und ein sämiges Quittengelee. Dazu herb-saure Zitronenzesten, reife Äpfel, leicht geröstete Haselnüsse und harte Birnen. Auch Eichenholz ist mit schönen knackigen Aromen nach abgelagerten trockenen Holzscheiten stets vorhanden.

 Geschmack

Der hohe Alkoholgehalt lässt ihn warm und pfeffrig starten, trockenes abgelagertes Eichenholz und würziger Honig kämpfen um die geschmackliche Vorherrschaft, die letztendlich zugunsten der schönen vollen Süße ausgeht. Insgesamt ist der Körper schwer und ölig, scharfes grünes Olivenöl, reife Mirabellen, knackige grüne Äpfel, eingekochte Birnen mit Gewürznelken und wieder schöne eingelegte Rosinen runden das Geschmacksbild weiter ab und eröffnen immer neue Profile. Die Eiche bleibt aber stets präsent und unterlegt alles mit einem schönen Teppisch aus trockenen Tanninen und tiefdunkler Schokolade. Feinherbe Röstaromen erinnern an einen starken Espresso.

 Abgang

Wunderbar süße reife Aprikosen und Pfirsiche, frische Malz und die Süße von frischen Gerstenstengeln. Immer fetter werdend und sämig-süß zieht sich der Abgang ewig hin und ich schmatze noch lange nach.

 Kommentar

Wie so oft verstecken sich hinter eher weniger bekannten Destillerien wahre Perlen. Das hier ist so eine. Mit nicht allzu hohen Erwartungen bin ich an diesen Whisky herangegangen und seine sich erst nach und nach entwickelnde Komplexität und seine wunderbar strukturierten Aromen konnten mich wirklich begeistern. Die Mischung aus amerikanischen und europäischen Eichenfässern hat hier zu einem sehr ausgewogenen Geschmackserlebnis geführt.  Und ich denke, das ist auch so ein Whisky, der von einer länger geöffneten Flasche sehr profitieren wird.

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2 Gedanken zu “Auchroisk 20, 58,1%

    1. Hallo Ralf,
      da es ihn regulär nicht mehr zu kaufen gibt, ist man leider mittlerweile auf Privatverkäufe, überteuerte Restbestände/Aufkäufe oder Auktionen angewiesen, wo die Preise extrem variieren. Bei Erscheinen hat er wohl so um die 110-120 EUR gekostet, inzwischen bezahlt man gern 180 bis deutlich über 200 EUR. Ich hatte das Glück, sie noch zu einem recht anständigen Preis für 135 EUR zu ergattern.

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